Prof. Siostrzonek

Gerade bei Personen mit kardialen Vorerkrankungen oder Personen im höheren Lebensalter fehlt oft der ausreichende Impfschutz gegenüber Erkrankungen wie Influenza und Pneumokokken. Dabei wäre vorsorgen hier ganz einfach, wie Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Siostrzonek erklärt. Er ist Ärztlicher Leiter der Abteilung für Innere Medizin II, Kardiologie im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kardiologie.

 

Warum setzten Sie sich als Kardiologie gerade für das Thema „Impfen“ ein?

Ich beobachte seit vielen Jahren, dass gerade in der Wintersaison viele Patienten mit Influenza oder Pneumokokkenerkrankungen bei uns eingeliefert werden, die kardiologische Vorerkrankungen haben. Manche haben gerade eine Grippe gut überstanden, kommen aber ins Krankenhaus wegen einer sich verschlechternden Herzschwäche oder mit einem Herzinfarkt. Es gab bereits Jahre, in denen unsere Station voll war mit Influenzapatienten, bei denen es zu schwerwiegenden Komplikationen gekommen ist. Heuer gibt es für Risikopatienten noch die zusätzliche Belastung durch die COVID-19-Pandemie. Kurz gesagt: Wir müssen das Thema der Vorsorge, dort wo es möglich ist, sehr ernst nehmen und gleichzeitig aufzeigen, dass es gerade gegen Grippe oder Pneumokokken einen ganz einfachen Schutz gibt – die Impfung. Wir Kardiologen wissen, dass Herzpatienten viel anfälliger für Infektionskrankheiten sind und – wenn es sie erwischt – die Prognose schlechter ist. Das allein ist Motivation genug, dass wir Betroffene mit dem neuen Webportal noch besser aufklären und informieren wollen.

"Patienten mit kardialen Erkrankungen sind Hochrisikopatienten. Bei ihnen ist ein umfassender Impfschutz unerlässlich." 

Sind Erkrankungen, die durch Grippeviren oder Pneumokokken ausgelöst werden, tatsächlich so gefährlich?

Ja, sie gehören in Europa zu den Top 3 der Infektionskrankheiten mit der höchsten Sterblichkeitsrate. Grippe ist überhaupt die häufigste Infektionskrankheit. Beide Erkrankungen können speziell für Personen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen verheerende Folgen haben. Ältere Patienten, die bettlägerig sind, verlieren rasch an Muskelmasse. Das kann bedeuten, dass ein zuvor fitter älterer Mensch nach einer Influenza-Infektion gebrechlich und auf Pflege angewiesen ist.

Hat sich die Einstellung zum Thema Vorsorge in den letzten Monaten gewandelt?

Ich denke, dass das Thema durch die Pandemie jetzt wieder mehr Aufmerksamkeit erlangt hat. Patienten mit kardialen Erkrankungen sind Hochrisikopatienten. Bei ihnen ist ein umfassender Impfschutz unerlässlich. De facto sind in Österreich aber nur 20 % der Hochrisikopatienten gegen Influenza geimpft, die Pneumokokken-Durchimpfungsrate dürfte noch geringer sein. Zum Vergleich: In Österreich kommen jährlich 30.000 Menschen wegen einer Influenza ins Krankenhaus. 10 % davon überleben die nächsten 90 Tage nicht. Bei fast 20 % der Patienten, die aufgrund einer Pneumokokkeninfektion im Spital aufgenommen werden müssen, ist ein kardiales Ereignis die Folge.

Woher erfahren Patienten, dass auf www.impfenschuetzt.at hochwertige und von Experten qualitätsgesicherte Information zur Verfügung steht?

Wir werden jede Gelegenheit nutzen, die Seite zu bewerben, über soziale Medien wie Facebook, über Zeitungen und Zeitschriften, über unsere Kontakte in die Gesundheitspolitik und über persönliche Gespräche mit den Patienten.

 

Welches Ziel verfolgen Sie damit konkret?

Zu allererst sollen Patienten motiviert werden – und hier vor allem Hochrisikopatienten –, sich Grippe- und Pneumokokken impfen zu lassen. Die Themen sind wissenschaftsgetrieben, aber dennoch verständlich formuliert. Wir wollen auf keinen Fall Angst machen, sondern sachlich informieren.

 

Sind Österreicherinnen und Österreicher impfmüde?

Eine gewisse Müdigkeit ist schon zu erkennen. Das hat aber vielleicht auch damit zu tun, dass nicht ausreichend die Information dort ankommt, wo sie gebraucht wird. Die Impfung hat einen vergleichbar großen Nutzen, wie wenn Herzpatienten mit dem Rauchen aufhören würden. Und impfen ist ungleich einfacher und schneller erledigt – das muss ankommen!

Aktuell wird in den Medien immer wieder diskutiert, ob genügend Grippeimpfstoff vorhanden ist. Das macht viele Patienten unsicher. Wie beurteilen Sie die Lage?

Wir haben 1,5 Millionen Dosen zur Verfügung. Würden die alle ausgeimpft werden, dann wäre ich schon sehr zufrieden, dann wäre das eine Impfrate von 20 %. Vielleicht wirkt es auch auf die Motivation, denn knappe Güter werden ja bekanntlich immer mehr nachgefragt – das würde uns im Ergebnis aber sehr freuen.

 

Wann soll man sich gegen Grippe impfen lassen?

Nachdem die Grippewelle in Österreich meist erst im Jänner beginnt, ist die beste Zeit für die jährliche Influenzaimpfung Ende Oktober bis Mitte November. Sie kann aber zu jedem späteren Zeitpunkt, auch während bereits Influenza-Fälle auftreten, durchgeführt werden.

 

Wo kann man sich gegen Grippe impfen lassen?

Influenza-Impfung bieten Hausärzte an, aber auch Impfstellen wie Gesundheitsämter oder Impf-Ambulanzen. Die Ansprechstellen in den Bundesländern sind unter www.gesundheit.gv.at/service/beratungsstellen/impfen zu finden.

Bilder: © B&K/APA-Fotoservice/Rastegar

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