Professor Burgmann

England impft, die USA impfen, Belgien impft – auch Österreich wird bald am Start stehen. Wie wird unser Leben in den nächsten Monaten aussehen?

So einfach kann das nicht beantwortet werden. Zunächst brauchen wir verlässliche Zahlen zu der Wirksamkeit des Impfstoffes. Bis dahin wird sich an der Mundnasenschutz-Pflicht, dem Abstandhalten und der Händehygiene, aber auch der Einschränkung sozialer Kontakte wenig ändern. Wir wissen bisher nur, dass die Zahl der symptomatischen Erkrankungen verhindert wird, aber nicht, ob auch die Infektion an sich bzw. die Weitergabe des Virus verhindert werden kann. Wir warten gespannt auf die Veröffentlichungen der Zulassungsbehörde.

 

Welcher Impfstoff ist derzeit am vielversprechendsten?

Aktuell ist es der Impfstoff von Pfizer und Biontech, der in Studien an 40.000 Menschen untersucht wurde. Es handelt sich dabei um einen mRNA-Impfstoff, der eine neue Technologie verwendet. Dabei wird nicht das Virus selbst, sondern der Bauplan für ein wichtiges Virusprotein geimpft. Die Körperzelle nimmt dann die mRNA auf und produziert das Antigen, das dann freigesetzt wird. Im nächsten Schritt reagiert dann das Immunsystem und bildet Antikörper bzw. eine zelluläre Immunantwort aus. Aus dem bisher Bekannten wissen wir nicht, ob dieser Impfstoff generell Infektionen verhindern kann oder nur die Ausbildung symptomatischer Infektionen. Für den Einzelnen stellt sich natürlich die Frage: Werde ich schwer krank? Wenn wir aber an das Gesundheitssystem und eine Volkswirtschaft insgesamt denken, so müssen wir auch die Frage stellen, wie viel Belastung auch durch „leichte“ Fälle tragbar ist. Für ein Ende der Pandemie ist es wichtig, dass der Impfstoff vor der Infektion und vor der Weitergabe des Virus schützt. Die Entwicklung dieser Impfstoffe ist revolutionär und ein Meilenstein in der Pandemiebewältigung.

Für ein Ende der Pandemie ist es wichtig, dass der Impfstoff vor der Infektion und vor der Weitergabe des Virus schützt. 

Aktuell sind einige Impfstoffe kurz vor der Zulassung. Entscheidet der Hausarzt, welchen Impfstoff er verabreicht?

Nein, zu Beginn sicher nicht. Zu Beginn werden nur beschränkte Kontingente zur Verfügung stehen. Jeder dieser Impfstoffe wird an bestimmte Zielgruppen getestet und für diese dann auch zugelassen. So wird es für Kinder vielleicht andere Impfstoffe geben als für erwachsene Risikopersonen. Davon hängt es ab, welcher Impfstoff zum Einsatz kommt. Dazu kommt auch noch die Frage der Verfügbarkeit. Voraussichtlich wird es auch logistisch schwierig sein, einen Impfstoff, der bei ca. -70 °C gelagert werden muss, im niedergelassenen Bereich flächendeckend anzubieten. Das ist bei Impfstoffen, die bei Kühlschranktemperaturen gelagert werden, eine ganz andere Situation.

Impfstoff Covid-2

Wer soll sich impfen lassen?

Die passenden Impfkonzepte werden aktuell gerade ausgearbeitet. Vermutlich werden Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, Risikogruppen sowie Personal in kritischer Infrastruktur zu den ersten Zielgruppen gehören, die mit den Impfdosen versorgt werden. Hier wird es ein Impfschema geben, das maßgeblich auch von der Wirkung und der Verfügbarkeit der Impfstoffe abhängen wird. Zur Bekämpfung der Pandemie ist aber notwendig, dass sich große Teile der Bevölkerung impfen lassen.

Wird es mit einer Impfung möglich sein, das Virus auszurotten?

Nein, das glaube ich nicht. Das hängt davon ab, wie sich die Immunität entwickelt. Bei anderen Coronaviren ist die Immunität für eine bestimmte Zeit nach einer überstandenen Infektion vorhanden, jedoch verschwinden dann die Antikörper wieder und eine neuerliche Infektion ist möglich. Wie sich das bei COVID-19 verhält, wissen wir noch nicht genau. Es ist uns bisher nicht gelungen, das Virus „auszuhungern“, das liegt daran, wie es übertragen wird. Patienten sind 24 bis 48 Stunden, bevor noch erste Symptome auftreten, bereits infektiös. Treten die ersten Symptome auf, ist die Viruslast am höchsten. Das ist etwas anders als bei der Grippe: Hier kann man oftmals erst die Erkrankung übertragen, wenn man Symptome hat. Das heißt, es ist viel einfacher, sich zu isolieren, weil man ohnehin den Kontakt meidet, wenn man sich krank fühlt. Auch bei SARS ist das so – hier sind die Betroffenen erst ansteckend, wenn schwere Symptome auftreten, und dann kann man sie sehr rasch isolieren. Bei COVID-19 gibt es viele Betroffene, die selbst nicht einmal merken, dass sie infiziert sind und damit das Virus weitertragen. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass es uns gelingt, das Virus auszurotten. Es wird daher immer wieder zu regelmäßigen Epidemien kommen.

Wie lange schützt die Impfung?

Auch hier haben wir noch nicht ausreichend Daten. Wir gehen davon aus, dass es ähnlich wie bei einer Influenza sein wird. Das heißt, vermutlich werden regelmäßige Auffrischungsimpfungen erforderlich sein.

 

Mit welcher Impfrate rechnen Sie?

Das hängt davon ab, wie effektiv der Impfstoff ist und wie gut es gelingt, die Bevölkerung von der Wichtigkeit der Impfung zu überzeugen und zu motivieren. Da die Durchseuchung der Bevölkerung laut letzter seroepidemiologischer Untersuchung bei etwa 4.7% liegt müssen wir versuchen möglichst viele Leute zu impfen. Nur so kann es gelingen die Pandemie zu stoppen.

 

Rechnen Sie mit Einschränkungen für jene Personen, die sich nicht impfen lassen?

Das ist keine medizinische Entscheidung, sondern eine politische. Wir haben bei jeder Impfung auch sogenannte Non-Responder, also Menschen, die trotz der Impfung keine Antikörper bilden. Das sind bei Masern zum Beispiel um die 5 %. Ich denke, dass Zwangsmaßnahmen in die falsche Richtung gehen. Das wäre nur sinnvoll, wenn wir wüssten, dass eine Impfung 100 % Schutz bringen kann. Wenn die Impfung gut wirkt, wird die Bevölkerung auch freiwillig darauf anspringen.

 

Gibt es Gründe, nicht zu impfen?

Das ist so wie bei allen Impfungen. Wer gerade infiziert ist, profitiert von der Impfung nicht. Ob jemand, der gerade eine COVID-19-Erkrankung überstanden hat, geimpft werden soll, werden die Forschungsdaten erst zeigen.

Zum Zeitpunkt dieses Interviews steht in Österreich noch kein COVID-19 Impfstoff zur Verfügung.

Fotos: (c) MedUni Wien/Haiden; stock.adobe.com

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